Heinz Strauß
Wenn ich hier kurz beschreiben darf, wie das Konzept der Systemenergetik entstand, wird mir zuallererst deutlich, wie viel man anderen Menschen verdankt und auf wie vielen Schultern man in der Entwicklung eines neuen Konzeptes steht.
Meinen grundlegenden Zugang zur wissenschaftlichen Haltung des Fragens verdanke ich meinem Großvater, der mir als kleinem Buben mit unendlicher Geduld und liebevoller Haltung alle Fragen aus meinem Kindermund beantwortete.
Prof. Walter Kögel und der Präsident Prof. Hermann Zeit, die mir die Gelegenheit gaben an der Katholischen Stiftungshochschule für Soziale Arbeit, Gesprächsführung und Tiefenpsychologie zu lehren.
Das Vordiplom im Fach Soziologie bei Prof. Dr. Jürgen Horst Helle an der LMU München, welches mir die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten im Fach Statistik vermittelte und mein Interesse für vertiefte Qualifikationen in diesem Bereich weckte, führte mich nach einigen Jahren zu einem interessanten Lehrauftrag in Statistik und Gruppenarbeit an der staatlichen Fachhochschule München.
Die medizinische Promotionsarbeit in der Rechtsmedizin der LMU München bei Prof. Dr. Wolfgang Spann war nicht zuletzt aufgrund seines besonderen Humors eine gute Basis meiner naturwissenschaftlichen Schulung.
Meine Promotion in Psychologie im Fachbereich der Neurowissenschaften bei Prof. Dr. Giselher Guttmann vermittelte mir die notwendigen Grundkenntnisse im neurowissenschaftlichen Bereich und die reiche Erfahrung, einem besonderen Menschen begegnet zu sein.
Meine Ausbildung in tiefenpsychologischer Psychotherapie und die mehrjährige Tätigkeit als Psychotherapeut im Rahmen einer Kassenpsychotherapie war die Gelegenheit die notwendigen praktischen Erfahrungen und Kenntnisse zu erwerben. Dort gilt mein Dank neben meinen Lehrer*innen vor allem den Menschen, die sich mir anvertrauten.
Über meinen Lehrauftrag in Kunsttherapie an der Akademie der Bildenden Künste München freue ich mich besonders. Der Umgang mit den Künstler*innen als werdenden Therapeut*innen erweiterte und ergänzte meine klinische Sicht.
Die Gelegenheit, an der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie der Universität Innsbruck (Vorstand o. univ. Prof. Dr. med. G. Schüßler) für einige Jahre als Supervisor für die dortigen Kolleg*innen tätig sein zu dürfen, war höchst inspirierend und fruchtbar. Vielen Dank!
Seit den frühen 1970er Jahren befasste ich mich mit meinem eigentlichen Interessengebiet: der Wirksamkeitsforschung in der Psychotherapie und Beratung. Besonders der Begriff der Resilienz war mir ein großes Anliegen. Zwei Faktoren waren mir in der Forschungsarbeit zum Begriff der Resilienz wesentlich. Einmal die sichere und gute Beziehung zu den uns anvertrauten Schutzbefohlenen. Dabei ging es mir vor allem um die emotionale Erreichbarkeit und Unterstützung. Zum anderen der Begriff des Coping, des Entfaltens von zentralen Fähigkeiten, um Lebenssituationen gut bewältigen zu können. Was mich leitete war Anforderung, nicht aber Überforderung!
Im Begriff Systemenergetik spiegelt sich die Entwicklung des Konzeptes in den weiteren Jahren wieder.
System geht auf das griechische Wort „σύστημα (sýstēma) „aus mehreren Teilen zusammengesetztes Ganzes“ zurück. Daraus entstand mit Aristoteles unser heutiger Begriff System. Energetik kommt vom altgriechischen enérgeia (ἐνέργεια), das wirken, Wirksamkeit bedeutet. Also ging es um das Wirken eines Zusammengesetzten. Wenn wir unter dieser Prämisse den Begriff der entfalteten Fähigkeit betrachten, kommen wir zu erweiterten Ansichten und Möglichkeiten. Fähigkeiten sind also als Systeme zu begreifen, die bestimmte Wirkungen entfalten.
Sehr bald führten mich diese Erkenntnisse zu den Neurowissenschaften, weil Fähigkeiten in unserem Gehirn und Nervensystem ihren Anfang nehmen. Und es handelt sich hier genauso um Systeme, um neuronale Netze.
In den folgenden Jahren richtete sich meine Forschungsarbeit – immer wieder angeregt durch Fragestellungen aus der Praxis – darauf aus, das systemische Verstehen von Fähigkeiten zu vertiefen. Unser Gehirn als hochkomplexes System zeigt, dass aktualisierte Fähigkeiten als dynamisch komplexe Systeme gesehen werden können. In den weiteren Jahren führte mich dies zu sehr hilfreichen Ideen zur Resilienz.
Das gezielte Arbeiten mit so definierten Fähigkeiten eröffnet uns sowohl neue Möglichkeiten sehr klarer und präziser Diagnosen, als auch sehr wirksamer Interventionen auf der somatischen, der psychischen und sozialen Ebene. Diese Forschungsarbeit wurde zudem nicht nur im Bereich von Psychotherapie nützlich, sondern u. a. auch auf den Gebieten der Mediation, der Supervision und des Coaching, der Mitarbeiter*innenführung, und führte zu einer speziellen Hilfestellung für traumatisierte Menschen.
In der Aufgabe, die Menschen an die Möglichkeiten der Systemenergetik heranzuführen, war und ist mir meine Frau, Angelika Strauß, eine große Unterstützung. Sie gewinnt die Menschen durch ihre liebevolle, kluge und klare Vermittlung.
Ich freue mich heute, dass die Kunst des Befähigens so viele Menschen zusammenführt und gerade das gefördert wird, was wir immer noch am wenigsten können – gut miteinander zu leben.
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